Björn Both auf einem Sofa

PARTNERS IN SPIRIT: Björn Both, Frontmann SANTIANO & Botschafter UN-Ozeandekade
 

„Wir sind alle auf einem großen Schiff unterwegs.“

 

 

19 Uhr, ich sitze mit Björn Both, dem Frontmann der Shanty Rock Band Santiano, in seiner Künstlergarderobe in der Barclays Arena in Hamburg. Gleich beginnt das Konzert, die Halle ist bereits voll, auf dem kleinen Tisch vor uns liegen verschiedene Medikamente und eine Schachtel Luckies. Björn hat einen schmerzenden Hals, gestern noch Fieber, but the show must go on. Oder besser: Wenn du auf See bist, kannst du dir das Wetter nicht aussuchen. Der passionierte Segler und Botschafter der UN-Ozendekade weiß, wann man an Deck muss. Na dann, ZACK AHOI!

 

 

Kiel-Marketing: In eurem Song „Doggerland“ bricht der Deich und alles geht unter. Heute steigt der Meeresspiegel durch die Klimaerwärmung, da hilft kein Deich. Ihr macht euch für den Meeresschutz stark und unterstützt verschiedene Organisationen, helfen Santiano-Konzerte auch beim Kampf gegen den Klimawandel?

Björn Both: Die Menschen und Organisationen, die wir auf unserer Leuchtfeuer-Seite vorstellen, unternehmen schon so viel mehr, als wir selbst es je könnten. Santiano kann nur Öffentlichkeit herstellen. Die Menschen halten uns für glaubwürdig, das macht uns zu Transporteuren, und so sagen wir es ihnen auch: Ihr feiert hier seit zwölf Jahren mit uns diesen Lebensraum, also lasst uns auch gemeinsam dafür sorgen, dass es diesem Lebensraum gut geht. Wenn wir im Jahr vor rund 300.000 Leuten spielen und nur 20, 30, 40 Prozent sagen, eigentlich haben die Recht, die Jungs, dann können wir sie auf diese Reise mitnehmen. Aber wir müssen auch immer aufpassen, dass wir es bei den Konzerten nicht übertreiben und den Leuten mit solchen Themen den Abend versauen.

Gerade in dieser Zeit musst du genau gucken, wie du formulierst und wie du die Leute mitnimmst, anstatt noch weitere Fronten aufzubauen. Vor zwei Jahren habe ich noch gedacht, bei all dem, was wir dringend für den Meeresschutz machen müssen, dass haben wir jetzt in der Hand, dass kriegen wir jetzt auf den Weg. Heute habe ich den Eindruck, dass wir davon weiter entfernt sind als je zuvor.

Die Menschen folgen nur Aussagen von Menschen, die sie als authentisch empfinden?

Wir können halt versuchen die Menschen mitzunehmen, weil wir glaubwürdig sind und offensichtlich keine durchgeknallten Hippies. Wir sind irgendwie so Typen, mit denen Menschen sich identifizieren können. Wir können durchaus Verständnis schaffen, sei es für eine Haltung gegen den zunehmenden Rechtsruck, sei es für Meeresschutz, für Klimaschutz, gegen Artensterben, für all die Dinge, die wir dringend anpacken müssen.

 

Logo der UN-Ozeandekade

• Björn Both ist wie auch Boris Herrmann Botschafter der UN-Ozeandekade, einer von den Vereinten Nationen initiierte globale Kampagne mit dem Ziel, gemeinsam den Ozean zu gestalten, den wir für die Zukunft brauchen: gesund, voller Leben, mit geschützten Bereichen, aber auch nachhaltig bewirtschaftet. •

 

Björn Both beim Interview mit Ralf Löwe

 

Ihr spielt in Arenen in ganz Deutschland, bemerkt ihr Unterschiede bei den Menschen, wenn es um so komplizierte Themen wie Klimaschutz und Meeresschutz geht? In den neuen Bundesländern zum Beispiel hat die AFD mehrere Hochburgen, da steht Klimaschutz nicht an erster Stelle.

Am Anfang auf jeden Fall. Da sind wir auch mit unserer Musik und unserer Begrifflichkeit von Freiheit und Heimat gerne mal missverstanden worden. Deswegen sind wir irgendwann auf den Trichter gekommen, dass wir das mal erklären müssen. Das machen wir wir jetzt seit zwölf Jahren. Jetzt waren wir in vielen Großstädten auch im Osten und zu uns kommen offensichtlich große Teile der anderen 70 Prozent. Die fangen an zu klatschen und hören nicht auf damit, wenn wir solche Themen ansprechen. Nicht alle – aber immer mehr.

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„Weißt du, wir reiben uns gesellschaftlich gerade an Dingen auf, die uns viel zu viel Kraft und Zeit kosten. Die haben wir nicht!“
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Eine Umfrage hat gerade ergeben, dass nicht mehr der Klimawandel die größte Sorge der Mehrheit ist, sondern Putin, der Krieg in der Ukraine, Migration, Fremdenfeindlichkeit. Kann man dem mit einem Musikkonzert etwas entgegensetzen?

Das muss ich einfach glauben. Beispielsweise gestern erst in Magdeburg. Das berührt mich wirklich sehr, und das sage ich denen auch. Danke für eure Aufmerksamkeit. Danke, dass ihr auch verstehen wollt, worum es uns eigentlich geht. Ich will versuchen, die Leute mitzunehmen, ich möchte etwas herstellen, was eine gewisse wohlwollende Wucht hat, und nicht noch weiter den Keil in die Gesellschaft treibt. Dabei will ich nicht sagen, dass ich noch jeden Protestwähler verstehe. Da bin ich langsam raus und lasse mich auf keine Diskussionen mehr ein. Aber jedem, der in dieser ganzen Wahreitsverbiegerei unentschlossen ist, dem reiche ich sofort die Hand, um ihn wieder in die Mitte zu holen. Weißt du, wir reiben uns gesellschaftlich gerade an Dingen auf, die uns viel zu viel Kraft und Zeit kosten. Die haben wir nicht! Wir haben andere Dinge zu tun, verdammte Scheiße! Wir sollten endlich die richtigen Sachen anpacken. Das nervt mich gerade alles sehr. Und ja – und vielleicht sind Konzerte eine gute Möglichkeit, den Menschen nahe zu kommen.

Du liebst es, auf dem Meer zu sein, selbst zu segeln. Die Seglerin Rosalin Kuiper [Skipperin Holcim-PRB beim Ocean Race Europe 2025] hat gesagt, dass es sie immer wieder aufs Meer zieht. Das Meer, die Seemannschaft, die Teamarbeit. Und wenn man dann in einen Hafen einläuft, ist das etwas ganz anderes, als wenn man von der Landseite kommt. Da trifft man viele Gleichgesinnte, eine Art Schicksalsgemeinschaft. Schafft man in einem Konzert Gleichgesinnte?

Ja, unbedingt. Darum geht es ja. Und was den Hafen angeht, nicht umsonst heißt der Hafen im Englischen Port [lat. porta, Tor]. Das ist der Haupteingang zur Stadt. Ich liebe das. Es erschlägt dich fast! Du kannst einfach nicht so eindrucksvoll von Land aus auf eine Stadt zufahren. Du fährst durch Hügel, plötzlich bist du in so einem Vorort – und bumm! mitten im Zentrum. Huch, wir sind schon da? Das ist vom Wasser aus kommend viel spektakulärer.

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„Diese ganze Seemannschaft kann sehr, sehr gut als eine Art Geländer dienen, an dem man sich auch an Land ziemlich gut entlang hangeln kann.“
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Björn Both von Santiano nachdenklich

 

Habt ihr bei euren Konzerten  das Gefühl, dass ihr und die Leute zusammenwachsen, dass ihr am Ende des Konzertes eine Crew seid?

Genau das versuchen wir zu vermitteln. Das haben wir uns aufgebaut und das haben wir auch in unserem Buch versucht zu beschreiben. Ich hatte am Anfang diese Vision von diesem Weltensegler, der alle mitnimmt und auf dem alle ihren Platz finden. Ich hatte keine Ahnung, wie man das bauen kann. Aber irgendwann habe ich gespürt, dass genau das da ist. Und das versuchen wir immer wieder zu machen, dass zieht sich durch unsere ganze Fanbase. Weißt du, wenn du auf maritime Mucke stehst, die auch ein bisschen zur Sache geht und auch die eine oder andere Botschaft im Gepäck hat, und die alle ein bisschen in ihrer Sehnsucht zu packen kriegt, zusammenzuhalten, dass einer für den anderen einsteht, dann gibt es keine andere Adresse, als uns. 

Aus der Seemannschaft kann man viel lernen?

Absolut! Diese ganze Seemannschaft kann sehr, sehr gut als eine Art Geländer dienen, an dem man sich auch an Land ziemlich gut entlang hangeln kann.

 

 

Was kann man aus der Seemannschaft, aus der Tatsache, dass man nur gemeinsam etwas erreicht, für den Kampf um den Schutz der Meere lernen?

Gib mir ein paar Stunden Zeit, um zu antworten! Also zunächst einmal Respekt. Respekt vor dem, worin du dich bewegst, der Natur, dem Meer. Wenn man das als Gleichnis sieht, dann sind wir alle auf einem großen Schiff unterwegs. Ein guter Skipper sieht sein Schiff immer als eine Verlängerung seiner selbst. Wenn er das nicht tut, macht er einen sehr entscheidenden Fehler. Wir Menschen müssen diese Welt ebenfalls als Verlängerung unserer selbst sehen. Als Segler schmiegst du dich in die Natur, in den Wind, in die Wellen. Alles andere ist Bullshit. Was wir aber als Menschheit gerade machen, ist das Gegenteil. Ist starres Dasein. Wie ein Betonpfeiler mitten im Ozean, der irgendwann zerbröselt. Wir sollten als Menschen wieder lernen, uns hinein zu schmiegen in die Welt, unseren Platz zu finden, dabei elastisch bleiben und die Moves mitmachen.

 

Björn Both hebt im Interview beide Arme

 

Anjoscha aus dem Kiel-Marketing-Team hat neulich einen sehr schönen Satz gesagt: Das Meer weist dich hier und da in die Schranken, aber es ist gut …

… ein anderer Seemanns-Schnack ist, Wer dem Meer vertraut, der kennt es nicht (lacht). Achtsamkeit und Natur lesen, das ist für mich segeln. Mein Platz in diesem Getöse zu finden und das dann austanzen. Ein permanentes Austarieren. Ich liebe das, das ist großartig. Es hört sich so billig an, aber wir müssen als Menschen wieder unseren Platz in der Natur finden, aber davon sind wir gerade ganz weit weg. Unser Leben hat mit mit Naturverbundenheit so überhaupt gar nichts mehr zu tun. Und das ist es, was du vom Wasser aus siehst. An Land bist du voll im Hamsterrad, ein paar Seemeilen vom Land entfernt siehst du das Hamsterrad, in dem du wieder toben wirst, wenn du zurückkommst.

Segelst du gerne mit anderen oder hauptsächlich alleine?

Wenn wir Regatta segeln, sind wir zu viert, dann prügeln wir die Capella mal ein paar Tage über die Rennbahn. Du musst schon ein gutes Händchen dafür haben, wen du zusammenholst. Ich liebe es, mit meinen Jungs zusammen zu segeln. Das ist wie hier in der Crew in der Band, mit der ich seit Jahrzehnten zusammenarbeite. Ich mag sowas. Ich bin da eine ziemlich treue Seele. Auf solche Faktoren wie Verlässlichkeit fahre ich richtig ab. Und Vertrauen. Ich bin ein totaler Vertrauer. Ich bin viel zu faul, um misstrauisch zu sein. Das würde ja bedeuten, dass ich ständig alles kontrollieren müsste. Außerdem hat Misstrauen grundsätzlich eine schlechte Energie.

Und wenn du allein segelst?

Das Wort allein sagt alles: mit allem eins sein. Dann lenkt mich nichts mehr ab. Das ist wirklich eine gute Voraussetzung für das, was ich gerade versucht habe zu beschreiben. Und wenn ich dann in die Häfen komme, bin ich alleine viel offener für andere. Allein kann ich mich einfach treiben lassen, mit Leuten sabbeln, die ich gerade kennengelernt habe. Alleine bin ich selten einsam.

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Das Interview führte Ralf Löwe, Communication & Commercial The Ocean Race Europe/Kiel

 

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